AB A 1.2.13 Beziehungen zur Markgrafschaft Burgau, 1410-1806 (Bestand)

Archivplan-Kontext


Angaben zur Identifikation

Institution:Stadtarchiv Augsburg
Signatur:AB A 1.2.13
Titel:Beziehungen zur Markgrafschaft Burgau
Entstehungszeitraum:1410 - 1806
Stufe:Bestand

Angaben zum Umfang

Archivalienart:Akte/Dokument
Amtsbuch/Band
Anzahl:76
Laufmeter:6,40

Angaben zum Kontext

Provenienz / Aktenbildner:Stadtpfleger, Geheimer Rat und Rat
Verwaltungsgeschichte:1. Das Territorium und die Verwaltung

Die Markgrafschaft Burgau, die 1301 als erledigtes Reichslehen an die Habsburgr gefallen war, zählte sicherlich zu den kuriosesten Staatsgebilden im Alten Reich. Die burgauischen Landvögte als höchste Beamte und Statthalter der häufig andernorts residierenden Markgrafen beanspruchten nämlich als Territorium eine Fläche von circa 24 Quadratmeilen, in dem um 1750 schätzungsweise 52 000 Einwohner lebten. Die Verwaltung dieses großen Territoriums organisierte das Haus Habsburg von nur vier Kameralorten aus.
Die Folgen dieser komplizierten staatsrechtlichen Verhältnisse waren selbst in den Jahren der Mediatisierung nach dem Preßburger Friedensschluss am 25. Dezember 1805 zu spüren. So berichtete ein bayerischer Aufhebungskommissär an den Leiter der neu gebildeten Landesdirektion in Ulm, Freiherrn M. Emanuel von Lerchenfeld,im Mai 1806: „Die verwikelten Verhältnisse der Markgrafschaft Burgau (...) haben bisher die eigent(lich) zur Organisation (der Verwaltung) hinführenden Arbeiten so zurückgehalten, dass man sich noch nicht sobald die Beendigung derselben versprechen kann"1. Der Verwaltung mit Sitz in Günzburg und Burgau, die bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts von der Innsbrucker Hofkanzlei und danach von den Konstanzer bzw. den Freiburger Regierungsbehörden geleitet wurde, kam so die schwierige Aufgabenstellung zu, ein „territorium non clausum" nach außen und nach innen herrschaftlich zu stabilisieren und diplomatisch gekonnt gegen aggressive, benachbarte ostschwäbische Reichsstände zu verteidigen.
Die Markgrafschaft Burgau hatte bei der Verfolgung dieses Ziels aber gegenüber ihren Anrainerstaaten einen erheblichen Standortnachteil in Kauf zu nehmen. Blieben z. B. die Regierungsbehörden der angrenzenden wittelsbachischen Pflegämter und Landgerichte am Münchener Hof oder der reichsritterschaftlichen Territorien im Kanton Donau mit der Kanzlei zu Ehingen a. d. Donau im Zeitalter der Postkutsche noch in vertretbaren Entfernungen, so lähmte die weite Distanz der burgauischen Oberbehörden zu den vorderösterreichischen Regierungsstellen die Flexibilität der Landvögte. Dies galt vor allem für territoriale Entscheidungen, da sie an die strikte Zustimmung der zuständigen Regierungsbehörde gebunden waren. Die äußeren Grenzen, die insbesondere im Norden gegenüber dem wittelsbachischen Fürstentum Pfalz-Neuburg, aber auch gegenüber den Reichsstädten Augsburg und Ulm im Osten und Westen umstritten waren, versuchte die Markgrafschaft in bilateralen Staatsverträgen zu behaupten Eine einmal so festgelegte Grenzziehung beschränkte sich dabei zudem nur auf die geographische Abgrenzung einzelner Rechte, wie z. B. das Geleit oder das Hochgericht, und verzichtete bewußt auf einen vollständigen Katalog landesherrlicher Privilegien, deren Durchsetzung ohnehin nicht möglich gewesen wäre. So erklärt sich die paradox anmutende Situation, dass etwa der burgauische Zollbezirk ganz anders zu kartieren ist als der dazugehörige Gerichts- oder Jagdbezirk.
Innerhalb jener umstrittenen äußeren Grenzen blieb das Günzburger Oberamt bemüht, nach den Vorbildern der Reichsreformen unter Kaiser Maximilian I. und den späteren Verwaltungsreformen unter Maria Theresia und Joseph II., eine flächendeckende Behördenstruktur zu schaffen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte man bereits die Markgrafschaft erstmals in fünf gleichgroße Vogteien unterteilt, die dem Oberamt unmittelbar nachgeordnet blieben. Mit Hilfe dieser Distriktsvogteien sollte es möglich werden, auch außerhalb der wenigen herrschaftlich geschlossenen Ortschaften habsburgische Hausmachtpolitik zu betreiben.
Außerhalb dieses Verwaltungsnetzes standen nun nur noch der Landrichter und der Oberforstmeister mit Sitz im Burgauer Schloss. Diese Zweiteilung trug der Bedeutung Burgaus als mittelalterlichem Zentrum der Markgrafschaft Rechnung. Günzburg war erst unter der Regierungszeit Erzherzogs Ferdinand II. von 1577 - 1580 als neuzeitlicher Verwaltungsmittelpunkt ausgebaut worden und es sollte noch bis 1750 dauern, bis die letzten Zentralämter von Burgau in die Günzburger Neustadt verlegt wurden. In Wahrung des wichtigen Zieles, einer flächendeckenden Verwaltung näher zu kommen und um einen Überblick über den habsburgischen Streubesitz zu erhalten, begann die Kanzlei mit der Anlage von Urbaren, Lehen-, Gült- und Zinsregistern. Diese bildeten zugleich eine Garantie dafür, dass die habsburgische Grundherrschaft, die größtenteils infolge einer gewissen Interesselosigkeit gegenüber der abgelegenen „vorländischen" Sekundogenitur und der häufig wiederkehrenden finanziellen Misere habsburgischer Reichsfürsten verpfändet bzw. als Erblehen ausgegeben blieb, nicht weiter entfremdet würde.
Für den nicht-habsburgischen Besitz führte die burgauische Kanzlei ebenfalls ein Register, das erstmals bei der Auflösung der Markgrafschaft aus einer wittelsbachischen Pfandschaft unter Maximilian I. 1492 angelegt wurde. So verfügte das Günzburger Oberamt über eine ausführliche Auflistung sämtlicher "ausherrischer“, aber innerhalb der äußeren Landesgrenzen liegender Reichs- und Landstände, die als „Insassen“ bezeichnet wurden. Im Interesse der Staatsräson musste die Markgrafschaft mit diesen Gruppen zusammenarbeiten, da sie schließlich die Mehrheit der „Staatsuntertanen“ stellten.
2. Die Rechtsstellung

Zahllose Prozesse vor dem Reichskammergericht in Speyer bzw. nach dem Jahr 1689 in Wetzlar und vor dem Reichshofrat in Wien konnten das Problem der Verteilung der Landeshoheit innerhalb der Markgrafschaft nicht eindeutig lösen. Die burgauischen Ständeorganisationen oder Insassen verstanden sich meisterhaft als reichsunmittelbare Landesherren innerhalb der habsburgischen Landesgrenzen darzustellen, die allenfalls geneigt waren, einzelne markgräfliche Sonderrechte, wie das Hochgericht oder die Zollhoheit, anzuerkennen. Sie waren zwar formal gesehen, wie die Freiherren vom Stain zu Eberstall, meistens durch einen Lehenseid an die habsburgische Krone gebunden, doch blieb in der Neuzeit das mittelalterliche Lehensband von dem unseligen Streit um die Landeshoheit bedeutungsmäßig überlagert. So verwundert es nicht, dass selbst ein loyaler Schiedsrichter zwischen den ständischen und burgauischen Interessengruppen, wie der vorderösterreichische Regierungsrat Sigmund von Obser, 1776/77 zu dem negativen Urteil kam, die frühneuzeitliche Landeshoheitsdiskussion verrate „an Seiten des mächtigen Hauses Oesterreich wahrlich nichts anderes als Mückenfangerey, womit gewise kleine Geister
von ehemaligen Dicasterial-Personen sich wichtig machen, Belobungs-Decrete erschnappen und den Ruhm ein es besonderen Diensteifers erwerben wollten "2. Zur Wahrung der insässischen Rechte gegenüber dem burgauischen Landvogt, dessen hohe jährliche Dotation in Relation zu seiner schwierigen juristischen Aufgabenstellung stand, schlossen sich die Stände in zwei Assoziationen zusammen. Der „Engere Ausschuß“, dem Vertreter des Hochstifts und Domkapitels Augsburg, der Reichsstädte Augsburg und Ulm, der Reichsritterschaft und des Reichsprälatenstands angehörten tagte aus Sicherheitsgründen meist außerhalb der Markgrafschaft, und er blieb die einzig wirksame ständische Gegeninstitution. Der „Große" oder „Weite Ausschuß“, dem theoretisch alle Insassen angehörten, waren hingegen bedeutungslos, da er an einer zwangsläufigen Entscheidungsschwerfälligkeit litt und bei Prozeßfällen nie als Schlichter angerufen wurde.
Trotz der Polarisierung im juristisch-theoretischen Bereich mussten beide Seiten auch praktikable Lösungen anstreben, um den Staat bei der Verfolgung übergeordneter Interessen (z. B. Vaganten- und Straftäterermittlungen, Zollregelungen) handlungsfähig zu erhalten. Als Folge dieser Einsicht kam es zum Abschluss von Grundlageverträgen, von denen die sog. „Interimsmittel“ aus dem Jahre 1587 die wichtigsten Bestimmungen enthalten. Der Vertrag regelte u. a. die Abgrenzung zwischen Hoch- und Niedergerichtsfällen, gegenseitige Rechtshilfefragen, die Verteilung des Umgelds in grundherrschaftlich gemischten Ortschaften, die Einnahmen aus Brenn- und Braukonzessionen sowie die Festlegung von Jagdgrenzen, Wegegeldern und Judensteuern. Das Zustandekommen der „Interimsmittel“, die 1653 sogar „perpetuiert“ wurden, beweist, dass abseits der Prozeßebene sich auch in der Markgrafschaft Burgau das Alltagsleben regeln ließ. Nicht ohne Grund trägt deshalb auch die insässische Wappentafel von 1614 die programmatische Überschrift „Pax“.
Wolfgang Wüst

Angaben zu Inhalt und Struktur

Sprache:Deutsch
Lateinisch
Schrift:Lateinisch
Ordnung und Klassifikation:Der Bestand gliedert sich in die Teilbestände "Literalien" und "Akten", für die die Zählung jeweils wieder mit Nr. 1 beginnt. Die Signatur wird daher aktuell noch mit "Markgrafschaft Burgau, Literalien 1" etc. angegeben.

Angaben zur Benutzung

Findmittel-Datei:
 

Behältnisse

Anzahl:1
 

Benutzung

Erforderliche Bewilligung:Keine
Physische Benützbarkeit:Uneingeschränkt
Zugänglichkeit:Öffentlich
 

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